Retrospektive Peter Nestler – Indirect Cinema

„Die Ohren der Leute, die Filme sehen, sind verstopft vom Dreck, den man ihnen liefert, und die Ohren der Leute, die Filme machen, sind verstopft vom Dreck aus ihren Hirnen.“    (Peter Nestler, 1966)

Peter Nestler, das ist der Filmemacher, von dem der französische Filmkritiker Michel Delahaye sagte, er sei der größte gegenwärtige Dokumentarist. Das war 1965 und Peter Nestler hatte gerade einmal fünf Kurzfilme fertiggestellt. Das Erstaunliche an dieser Einschätzung ist, dass sie in eine Zeit fällt, in der das Direct Cinema mit seinem neu entdeckten Einsatz von Handkamera und Synchronton als Befreierin des Dokumentarfilms gefeiert wird. Man hoffte, sich nun mittels Kamera und Tonbandgerät einer „reinen Beobachtung“ anzunähern und sich endlich von der vorherrschenden und als autoritär empfundenen Kommentarstimme befreien zu können. Das grundsätzliche Misstrauen gegenüber der Kommentarstimme hat sich bis heute erhalten, ebenso der blinde und taube Glaube an einen direkten Zugang zur Realität mittels synchronen Bild- und Tonaufzeichnungen – Ersteres unter Dokumentarfilmer*innen, Zweiteres unter Hersteller*innen und Konsument*innen von Nachrichtenmedien. Peter Nestler scheint dies nie so recht überzeugt zu haben. Er macht es anders – und das seit mehr als 50 Jahren und rund 70 Filmen. Nahezu singulär ist die Qualität seiner Kommentare, die zwar von ihm selbst eingesprochen, doch nie privatistisch geraten. Aussagen Dritter werden häufig in indirekter Rede wiedergegeben, hin und wieder bleibt offen, wo wessen Statement beginnt und aufhört. Nicht etwa, um wichtige Spuren zu verwischen, sondern vielmehr, um zu einer größeren inhaltlichen Präzision zu finden, mitunter gar, um die Protagonist*innen zu schützen. Wo die Mehrheit der Filmemacher*innen auf „Continuity“ und somit auf Anschlüsse bedacht ist, verzichtet Nestler auf diese und macht ein Fest daraus, Töne auf Bilder treffen zu lassen oder einfach Bilder auf Bilder. Und so lässt Nestler die Gedanken über Bande laufen, ohne je die Achtung vor den Protagonist*innen, vor sich selbst und seinem Publikum zu verlieren.

 

ERÖFFNUNG:

LICHTMESS

DO 20.04.

18:00 Uhr

18:00 Uhr

GAST BEI ALLEN VORSTELLUNGEN: PETER NESTLER

KURATOREN: RASMUS GERLACH, FELIX GRIMM, VOLKO KAMENSKY, BERND SCHOCH