KURATIERT VON MAREN GRIMM, JOHANNA KLIER, SOPHIE PETERSON

“I do not intend to speak about, just speak nearby” 


Seit den frühen 80er Jahren entwickelt Trinh T. Minh-ha ein theoretisches, filmisches und poetisches Werk, das als grundlegend für postkoloniale und feminis­tische Debatten gilt. 1952 in Hanoi geboren und in Saigon aufgewachsen, emigrierte Trinh 1970 während des Vietnamkriegs in die USA. Nach einem Studium der Musikethnologie, Komposition und Französischer Literatur lehrt sie für drei Jahre im Senegal. Von 1992 bis 2022 war sie Professorin für Rhetorik sowie Gender- und Frauenforschung an der UC Berkeley. Die Autorin, Theoretikerin, Künstlerin, Komponistin und nicht zuletzt Filmemacherin bezeichnet ihre filmische und textliche Arbeit als Grenzereignis, das im Dazwischen von Kategorien stattfindet und somit den Deutungsanspruch autoritärer Formen herausfordert und dekonstruiert. 1989 erscheint ihr einflussreiches Buch ›Woman, Native, Other‹, mit dem sie einen transdis­ziplinären Denkraum eröffnet, in dem Trennlinien von Kunst und Wissenschaft verwischen und der vorherrschende Kanon enthierarchisiert wird. So ist auch das in ihrem Erstlingsfilm ›Reassemblage‹ proklamierte »speaking nearby« als poetische Form eines sprachlichen Handelns zu verstehen, als eine politische Haltung gegenüber sich selbst und der Welt. Diese Retrospektive widmet sich allen acht Filmen von Trinh T. Minh-ha, die zwischen 1982 und 2015 entstanden sind und die stetig zwischen dem Dokumentarischen und dem Fiktionalen transzendieren. Ihre Auffassung zum Filmemachen entwickelt sie aus einer manifesten Dringlichkeit: „Ich würde sagen, dass meine Filme unsere Wahrnehmung der Realität und unsere Erfahrung des Kinos verändern sollen – was die Gesamtheit unseres Körpers involviert.“ Die Betonung der körperlichen Erfahrung ist in diesem Kontext entscheidend, denn Trinhs Filme stellen hohe Erwartungen an die Seh- und Hörgewohnheiten des Publikums. Sie begreift den Raum des Kinos als ­einen Ort, der diese Körperlichkeit aktivieren kann, hier entfalten die Filme ihre subtile, aber nicht minder ­radikale, politische Haltung. Trinh T. Minh-ha kann leider beim Festival nicht anwesend sein. Sie wird die Q&As sowie die Masterclass live per Video abhalten.